Werner Böckenförde

Prof. Dr. Dr. Werner Boeckenfoerde

Zur gegenwaertigen Lage in der roemisch-katholischen Kirche

Kirchenrechtliche Anmerkungen

Unter dem Titel "Christliche Freiheit statt heiliger Herrschaft?" fand am 3. und 4. Oktober 1998 in Wuerzburg das fuenfte Bundestreffen der KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" statt. Nach der erfolgreichen Praesenz auf dem Katholikentag in Mainz sollten auf der Bundesversammlung eine aktuelle Standortbestimmung vorgenommen und kuenftige Handlungsschritte erarbeitet werden. Hintergrund der Diskussionen waren insbesondere auch die roemischen Erklaerungen der letzten Zeit zur Schwangerenkonfliktberatung, zur Laien-Instruktion sowie das Motu proprio "Ad tuendam fidem" und die Vorbereitung der zweiten Sonderversammlung der europaeischen Bischofssynode 1999.

Zur Einfuehrung in die Bundesversammlung wurde Prof. DDr. Werner Boeckenfoerde (emeritierter Domkapitular von Limburg und Prof. fuer Katholisches Kirchenrecht und Staatskirchenrecht in Frankfurt/Main) als Referent eingeladen. Seine Einladung anstelle eines der bekannten "progressiven Theologen", so die Katholische Nachrichentenagentur in einem Beitrag, "sei ein ein kalkuliertes Risiko" gewesen. Entgegen mancher Erwartungen im Vorfeld stiessen seine Ausfuehrungen in Wuerzburg auf grosse Aufmerksamkeit und wurden als Motivation fuer die weitere Arbeit aufgenommen. Mittlerweile ist die kirchenrechtliche Bestandsaufnahme Boeckenfoerdes ueber die KirchenVolksBewegung hinaus auf grosses Interesse gestossen und bereits in der Zeitschrift "ORIENTIERUNG" Nr. 21, 62. Jahrgang vom 15. November 1998 sowie von der Katholischen Nachrichtenagentur KNA in voller Laenge veroeffentlicht worden. Von diesem Referat ist eine Uebersetzung in italienischer Sprache verfuegbar.

Das von Prof. Boeckenfoerde gehaltene Referat ist auch – ergaenzt durch einen Text von Dr. Magdalene Bussmann (Mitglied des Wir sind Kirche-Bundesteams) zum Verhaeltnis von Glaubenswahrheit und Kirchenrecht sowie durch Ueberlegungen von Prof. DDr. Hans Kueng zur roemischen Herrschafts- und Unfehlbarkeitsideologie – in einer Wir sind Kirche Dokumentation enthalten, deren Druck dankenswerterweise von der Zeitschrift IMPRIMATUR uebernommen worden ist. Diese Wir sind Kirche-Dokumentation kann beim Wir sind Kirche Materialdienst bestellt werden.

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Prof. Dr. Dr. Werner Boeckenfoerde

Zur gegenwaertigen Lage in der roemisch-katholischen Kirche

Kirchenrechtliche Anmerkungen

(Die Vortragsform wurde unter Verzicht auf Fussnoten beibehalten.)

Die Einladung, heute zu Ihnen zu sprechen, hat mich gewundert. In einem Vorgespraech mit Herrn Weisner aeusserte ich meine Befuerchtung, mein Referat koenne ihn und die Damen und Herren des Bundesteams in Schwierigkeiten bringen. Es wuerde nicht dem gaengig gewordenen Genre der "Wut–und–Trauer-Betroffenheitstheologie" (V. Conzemius) angehoeren, sondern die Entwicklung der letzten zehn Jahre kirchenrechtlich-analytisch in Blick nehmen. Ich saehe das Risiko einer Desillusionierung, wenn nicht sogar einer Demotivierung durch den unverstellten Blick auf harte rechtliche Realitaeten. Ich fragte, ob es Ihrer Bewegung nicht mehr nuetze, wenn sie einen der zahlreichen sich als progressiv empfindenden Theologen einlueden. Das Bundesteam ist bei seiner Einladung geblieben. Ich hoffe, es hat damit nicht "gluehende Kohlen auf sein Haupt gesammelt". Wir vereinbarten, dass hinter das Thema fuer diese Bundesversammlung "Christliche Freiheit statt heiliger Herrschaft" ein dickes Fragezeichen gehoert.

Motor Ihrer Bewegung und Aktionen ist das II. Vatikanische Konzil. In ihm machte sich das selbst von Bischoefen empfundene Leiden an der Kirche Luft. Bei aller Kompromisshaftigkeit der beschlossenen Texte ging doch ein Ruck durch die Kirche: Endlich eine Reaktion auf den Ultramontanismus des letzten Jahrhunderts, auf den Antimodernismus zu Beginn dieses Jahrhunderts und die aehnlich bedrueckende Enge in den 50er Jahren. Die Konzilstexte und viele ihrer Kommentierungen zeichneten ein freundlicheres Bild der Kirche. Man empfand die Zuegel als gelockert. Die Laien entwickelten mehr Selbstbewusstsein, richteten sich auf. Sie wollten nicht mehr nur die hoerende, zum Gehorsam verpflichtete Kirche sein. Viele Glaeubige hofften auf die Einloesung der zahlreichen Versprechungen, die in Verkuendigung und Theologie mit Konzilstexten belegt wurden. Eine geschwisterliche Kirche wurde erhofft, in welcher alle Glaeubigen, Maenner wie Frauen, Kleriker wie Laien, ihre behauptete Gleichheit in der Wuerde wiedererkennen koennten. Sie erwarteten entsprechende Kompetenzen zur Gestaltung des kirchlichen Lebens. Man hoffte auf ein Ende der "heiligen Herrschaft" weniger Hierarchen ueber viele Glaeubige, auf den Einzug der Freiheit der Christenmenschen auch in die roemisch-katholische Kirche. Je laenger je mehr fuehlten viele sich enttaeuscht.

Noch einmal: Sie haben einen Kanonisten um das Referat gebeten. Es hat den Titel: "Kirchenrechtliche Anmerkungen zur gegenwaertigen Lage in der roemisch-katholischen Kirche". Meine Anmerkungen sind zweigeteilt: Zunaechst geht es um die Vorstellung der gegenwaertigen Lage, dann um Hinweise auf Moeglichkeiten, wie Glaeubige mit ihr umgehen koennen.
 

I. 
Die Rechtslage in der Kirche

1.      Der Codex Iuris Canonici
Achtzehn Jahre nach dem Ende des Konzils hat der gegenwaertige Papst rechtliche Folgerungen aus dem II. Vatikanischen Konzil gezogen. Der Codex Iuris Canonici macht bei allen schaetzenswerten Aenderungen deutlich, dass es keine einschneidenden rechtlichen Konsequenzen aus dem Konzil geben sollte. Der kirchliche Gesetzgeber – und dies ist nach der Kirchenverfassung letztlich und allein der Papst – dieser Gesetzgeber zeigte sich entschlossen, nicht nur jede Infragestellung der hierarchischen Struktur der Kirche zu unterbinden, sondern diese weiter zu festigen. Das Kirchenbild des Papstes zeigt sich in den von ihm erlassenen, fuer alle Katholikinnen und Katholiken, und soweit goettliches Recht enthaltend, fuer alle Menschen verbindlichen Gesetzbuechern. Ich beschraenke mich auf den fuer uns einschlaegigen Codex Iuris Canonici.

a)      Die Rechtslage
Anders als im II. Vatikanum bezeichnet der Gesetzgeber nur den Papst als "Stellvertreter Christi", nicht auch die Bischoefe. Er ist "Haupt des Bischofskollegiums" und "Hirt der Gesamtkirche". Er verfuegt ueber die hoechste und unmittelbare Gewalt in der Kirche. Er besitzt ueber die Dioezesanbischoefe einen Vorrang ordentlicher Gewalt, d. h. die "Vorherrschaft" in der Kirche. Gegen seine Urteile oder Dekrete gibt es keine Rechtsmittel, auch nicht fuer Bischoefe. Das Bischofskollegium ist zusammen mit dem Papst und niemals ohne ihn ebenfalls Traeger der Hoechstgewalt in der Gesamtkirche.

Dem Dioezesanbischof kommt in der ihm vom Papst anvertrauten Dioezese eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt zu; was jedoch nach dem paepstlichen Gesetzbuch oder nach einer speziellen Anordnung des Papstes der hoechsten kirchlichen Autoritaet vorbehalten wird, ist davon ausgenommen.

Die Bischoefe leiten ihre Dioezesen mit gesetzgebender, ausfuehrender und richterlicher Gewalt. Was sie als Lehrer des Glaubens erklaeren oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Glaeubigen – im Bewusstsein ihrer eigenen Verantwortung – mit christlichem Gehorsam zu befolgen (c. 212 § 1 CIC). Gehorsamsverweigerung steht nach Verwarnung unter Strafe (c. 1371 n. 2 CIC).

Wie die Bischoefe konkret in die hierarchische Communio mit dem Papst eingebunden werden, kann exemplarisch anschaulich werden an den Kriterien fuer die Auswahl von Kandidaten fuer das Bischofsamt und durch den Treueid, den jeder Dioezesanbischof vor der "Besitzergreifung" von seiner Dioezese in der seit dem 1. Juli 1987 gebrauchten Formel zu leisten hat.

Ich zitiere Ihnen aus den Eignungskriterien die Punkte ueber Rechtglaeubigkeit und Disziplin. Sie finden den vollstaendigen Katalog in den verteilten Materialien. Unter "Rechtglaeubigkeit" wird erwartet:

"Ueberzeugte und treue Anhaenglichkeit an die Lehre und das Lehramt der Kirche. Insbesondere Einstellung des Kandidaten zu den Dokumenten des Heiligen Stuhles ueber das Priesteramt, die Priesterweihe der Frauen, die Ehe und Familie, die Sexualethik (insbesondere die Weitergabe des Lebens gemaess der Lehre der Enzyklika ‚Humanae Vitae' und des Apostolischen Schreibens ‚Familiaris Consortio') und die soziale Gerechtigkeit. Treue zur wahren kirchlichen Ueberlieferung und Engagement fuer die vom II. Vatikanischen Konzil und von den darauffolgenden paepstlichen Unterweisungen eingeleitete echte Erneuerung."

Unter "Disziplin" heisst es:

"Treue und Gehorsam gegenueber dem Heiligen Vater, dem Apostolischen Stuhl, der Hierarchie, Achtung und Annahme des priesterlichen Zoelibats, wie er vom kirchlichen Lehramt vorgestellt wird; Beachtung und Befolgung der allgemeinen und besonderen Normen betreffend den Vollzug des Gottesdienstes sowie hinsichtlich der geistlichen Kleidung."

Der Treueid (Amtseid der Dioezesanbischoefe seit 1. Juli 1987) lautet:

"Ich N.N. zum Bischofssitz von NN befoerdert, werde der Katholischen Kirche und dem roemischen Bischof, ihrem obersten Hirten, dem Stellvertreter Christi und dem Nachfolger des Apostels Petrus im Primat sowie dem Haupt des Bischofskollegiums immer treu bleiben.

Der freien Ausuebung der primatialen Gewalt des Papstes in der ganzen Kirche werde ich folgen, seine Rechte und Autoritaet werde ich mich bemuehen zu foerdern und zu verteidigen. Die Praerogativen und die Amtsfuehrung der Gesandten der Paepste die in Vertretung des Papstes auftreten, werde ich anerkennen und beachten.

Die den Bischoefen uebertragene apostolische Gewalt, naemlich das Volk Gottes zu lehren, zu heiligen und zu leiten, werde ich in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Bischofskollegium, seinem Haupt und den Gliedern, mit groesster Sorgfalt wahrnehmen.

Die Einheit der ganzen Kirche werde ich foerdern und daher mit Eifer dafuer sorgen, dass die Glaubenshinterlage, die von den Aposteln ueberliefert ist, rein und vollstaendig bewahrt wird und dass die Wahrheiten beachtet und die Sitten befolgt werden, wie sie vom Lehramt der Kirche vorgelegt wurden, und allen gelehrt und erlaeutert werden. Die im Glauben Irrenden werde ich mit vaeterlichem Geist korrigieren und alle Muehe anwenden, dass sie zur Fuelle der katholischen Wahrheit zurueckkehren...

Zu festgesetzten Zeiten oder bei gegebener Gelegenheit werde ich dem Apostolischen Stuhl Rechenschaft ueber meinen pastoralen Auftrag geben und dessen Mandate oder Ratschlaege werde ich willfaehrig annehmen und mit Eifer ausfuehren."

Aller mit leuchtenden Augen vorgetragenen Communio-Theologie oder –Ideologie zum Trotz dominiert im derzeitigen Kirchenrecht das alte Verstaendnis von der Kirche als einer societas inaequalis. So hat es Papst Paul VI. gegen Ende (!) des Zweiten Vatikanischen Konzils der von ihm gebildeten Kommission gesagt: Das kanonische Recht gruende in der Jurisdiktionsgewalt, die Christus der Hierarchie zugeteilt habe. Den Laien fehle die Faehigkeit zur Leitung. Sie seien der Hierarchie unterstellt und im Gewissen verpflichtet, den Gesetzen zu gehorchen gemaess dem Wort "Wer euch hoert, hoert mich, und wer euch verachtet, verachtet mich" (Lk 10,16). Gemaess dieser paepstlichen Aeusserung ist das neue Gesetzbuch erarbeitet worden. Ich kenne uebrigens keine Vorschrift, die dem Buchstaben eines Beschlusses oder auch dem in mancher Hinsicht ambivalenten Geist dieses Konzils widerspricht.

Die Struktur von Befehl und Gehorsam gilt auch im Bereich der Verkuendigung der Glaubenslehre. Von jedem – auch von Bischoefen – ist zu glauben, was im geschriebenen oder im ueberlieferten Wort Gottes enthalten ist und als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es durch den Papst oder durch ein Konzil, sei es durch das ordentliche Lehramt des Bischofskollegiums. In diesen Faellen kommt dem Papst bzw. dem Bischofskollegium Unfehlbarkeit zu. Wer hartnaeckig gegen solche Lehren verstoesst, zieht sich die Strafe der Exkommunikation zu.

Mit religioesem Verstandes- und Willensgehorsam ist von allen – auch von den Bischoefen - eine Lehre des Papstes oder des Bischofskollegiums zu akzeptieren, die verbindlich, wenngleich nicht als endgueltig verpflichtend verkuendigt wird. Wer solche Lehren ablehnt und nach Verwarnung nicht widerruft, soll nach dem Willen des Gesetzgebers bestraft werden. Die Bischoefe werden zu strafrechlichem Vorgehen verpflichtet. Was bis 1983 bereits sittlich geboten war, wurde jetzt zusaetzlich zu einer Rechtspflicht, deren Verletzung strafbar ist.

Diese Stellen ueber den Papst, die Dioezesanbischoefe und die Laien zeigen: Auch nach dem Konzil ist die hierarchische Leitung der Kirche ungebrochen. Der Ruf nach Gleichheit aller Glaeubigen erhielt in c. 208 des Codex die Antwort: Nach dem Selbstverstaendnis des kirchlichen Lehramtes besteht die "wahre" Gleichheit in der Taufwuerde. Das ist eine Gleichheit, welche die Ungleichheit in der Rechtsstellung, je nach Standeszugehoerigkeit und Geschlecht, einschliesst. In c. 208 CIC heisst es: "Unter allen Glaeubigen besteht ... eine wahre Gleichheit ..., kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken". Der Sehnsucht nach Freiheit und Verantwortung wurde begegnet durch die Einforderung von Gehorsam, allein aufgrund formaler Autoritaet unabhaengig von Einsicht. Die Laien bilden nach wie vor die "hoerende" Kirche. So weit die Rechtsordnung mit ihrem Gehorsamsanspruch.

b)      Die Rechtswirklichkeit

Wie sieht es mit der Befolgung der rechtlichen Forderungen aus? Auf der Seite der dem Kirchenrecht "Unterworfenen", der Rechtswirklichkeit, hat sich einiges geaendert. Wie ernst wird kirchliches Recht heute noch genommen? Effektiv durchgesetzt werden kann es nur bei solchen, die im kirchlichen Dienst stehen, also bei materiell Abhaengigen. Es tut sich eine Kluft auf zwischen dem von Rom Geforderten und dem, was in der Seelsorge praktisch geschieht. Diese Kluft ist erfahrbar bei Priestern und Laien, auch zwischen dem Dioezesanbischof und seinen Priestern, zum Teil auch zwischen dem Papst und den Bischoefen. Es heisst: "Fulda ist weit, Koeln ist weit, Rom ist noch weiter". Viele Kleriker und viele Laien fuehlen sich im Gewissen verpflichtet, die Ausfuehrung roemischer Befehle zu verweigern, und viele Dioezesanbischoefe tolerieren das, solange es nicht in der Zeitung steht oder zu Beschwerden kommt.

Was sich darin – vor allem in Westeuropa und den Vereinigten Staaten, aber keineswegs nur dort - zeigt, ist ein klarer Schwund universalkirchlicher Autoritaet. Statt unbegruendet Befohlenes gehorsam auszufuehren, erinnerten sich die Glaeubigen daran, dass es einmal Zeiten gab, in denen galt: "Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, also der Geist Christi, bleibt in euch, und ihr braucht euch von niemand belehren zu lassen; ... bleibt in ihm" (nach 1 Joh 2,27). Dem Papst und seinen engsten Mitarbeitern blieb dieser Autoritaetsverlust nicht verborgen. Es stellte sich die Frage: Aenderung oder Verschaerfung des Rechts? Ein Blick auf die letzten zehn Jahre zeigt: Mit dem Ingrimm des "Jetzt erst recht!" und ohne Ruecksicht auf das drohende kulturelle Abseits des Katholizismus wurde die zweite Variante gewaehlt.
 

2.      Ein Jahrzehnt roemischer Verlautbarungen

a)      Zusaetze zur Professio Fidei und Einfuehrung eines neuen Treueids

Nach dem Codex haben bestimmte Personen, denen ein besonderer Bezug zu kirchlicher Lehrtaetigkeit gemeinsam ist (z. B. Bischoefe, Kardinaele, Theologiedozentin-nen und -dozenten, Priesterkandidaten vor der Diakonenweihe) vor der Amtsuebernahme bzw. vor der Weihe nach einer vom Apostolischen Stuhl gutgeheissenen Formel ein Bekenntnis abzulegen. In ihm bekunden sie, in der vollen Gemeinschaft mit der roemisch-katholischen Kirche zu stehen. Obwohl "Glaubens"bekenntnis genannt, geht es nicht nur um das Credo. Auch andere Lehren sind durch Zusaetze einbezogen.

Seit 1990 gelten an sich neue Zusaetze. Im ersten und dritten Zusatz ist aktuell zu bekennen, was schon im Codex steht: der Glaube in bezug auf Offenbarungslehren, der Gehorsam in bezug auf alle nicht definitiven Lehren. Im zweiten Zusatz ging man ueber den Codex hinaus. Zugesagt werden muss die feste Annahme und Bewahrung – gemeint ist die unwiderrufliche Zustimmung – zu anderen als in der Offenbarung enthaltenen endgueltigen Glaubens- und Sittenlehren. In der nachkonziliaren Theologie war umstritten, ob dem Lehramt in diesem Bereich ueberhaupt die Kompetenz endgueltigen Lehrens zukommt. Die universalkirchliche Autoritaet hat an diesem Anspruch nie Zweifel aufkommen lassen und setzt diese Position nun rechtlich um. Die drei Zusaetze wurden in lateinischer Sprache veroeffentlicht. Die Bischofskonferenzen wurden mit Uebersetzungen beauftragt. Die Deutsche Bischofskonferenz hat bis heute, also seit acht Jahren, keine amtliche Uebersetzung herausgegeben. In Deutschland wurde das Versprechen in dieser Form weithin nicht verlangt; man nutzte die alte Formel von 1967.

Flankiert wurde das Glaubensbekenntnis durch die Einfuehrung eines Treueids. Bis dahin waren nur die Bischoefe durch einen eigenen Treueid gebunden. Nun gilt auch fuer die Inhaber anderer Funktionen – z. B. Generalvikare, Priesterkandidaten, Theologiedozentinnen und -dozenten – ein eigener Treueid. In ihm verpflichtet sich die bzw. der Schwoerende in einem religioesen Akt, seine dienstlichen Pflichten unter Wahrung der Glaubens- und Sittenlehre sowie der gesamten Rechtsordnung zu erfuellen. Waehrend c. 212 § 1 CIC neben dem christlichem Gehorsam gegenueber Lehren und Anordnungen der Hirten auch das "Bewusstsein der eigenen Verantwortung" erwaehnt, fehlt dieser Bezug in der Eidesformel. Dies bestaerkt jene kanonistische Interpretation des Canons, nach der fuer den Gesetzgeber der Gehorsam das Kriterium fuer verantwortliches Handeln ist, nicht aber die eigene Verantwortung Massstab des geforderten Gehorsams. Dem entspricht eindeutig auch c. 752 CIC.

Der Zweck dieser Massnahmen ist klar: Wenigstens auf der Fuehrungs- und Multiplikatorenebene soll die Kluft zwischen Norm und Befolgung behoben werden: Der Eid hebt die zu uebernehmenden Pflichten in die religioese Dimension. Der vorsaetzliche Falscheid gehoert zu den Straftaten gegen die Religion und die Einheit der Kirche (c. 1368 CIC).

Der Gesetzgeber bemerkte, dass seine rechtlichen Forderungen im Codex nicht griffen. Ihre Einhaltung konnte er auch durch Interventionen im Einzelfall nicht sicherstellen. Deshalb griff er in Analogie zum beruechtigten Antimodernisteneid zum Mittel der universalen Praevention. Er nahm die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Pflicht. Bei ihnen sollten die Zusaetze zum Credo und die Kombination von Glaubensbekenntnis und Treueid wirken: Sie sollten einen umfassenden Schutz garantieren gegenueber jeder Abweichung von authentischen hierarchischen Vorgaben doktrineller oder disziplinaerer Art. Der Journalist Guido Horst berichtete in der "Deutschen Tagespost", dass die roemische Kurie selbst am 30. Juni 1998 eine deutsche Uebersetzung im Pressesaal des Vatikans ausgelegt hat, um die Umsetzung ihres Anliegens auch fuer die Kirche in Deutschland sicherzustellen.

b)      Instruktion "Donum Veritatis" der Kongregation fuer die Glaubenslehre ueber die kirchliche Berufung des Theologen vom 24. Mai 1990

Es gab weitere Spannnungen zwischen dem Lehramt der Kirche und Theologen. 1990 richtete die Kongregation fuer die Glaubenslehre eine Instruktion an die Bischoefe als Inhaber ausfuehrender Gewalt. U. a. geht es darin um die Gehorsamshaltung gegenueber nicht-definitiven Lehren. Oeffentliche Nichtzustimmung zu solchen Lehren und oeffentlicher Austrag von Konflikten mit dem Lehramt sind unzulaessig. "Der Theologe wird in diesen Faellen nicht auf die Massenmedien zurueckgreifen, sondern die verantwortliche Autoritaet ansprechen" (Nr. 30). Eine im unmittelbaren Kontakt mit der kirchlichen Autoritaet nicht auszuraeumende Schwierigkeit darf ausnahmsweise in ein gehorsames Schweigen muenden. "Fuer eine loyale Einstellung, hinter der die Liebe zur Kirche steht, kann eine solche Situation gewiss eine schwere Pruefung bedeuten. Sie kann ein Aufruf zu schweigendem und betendem Leiden in der Gewissheit sein, dass, wenn es wirklich um die Wahrheit geht, diese sich notwendig am Ende durchsetzt" (Nr. 31). Den Hirten vor Ort wird ihre Pflicht eingeschaerft, mit geeigneten Mitteln einzugreifen.

c)      Instruktion "Il Concilio" der Kongregation fuer die Glaubenslehre ueber einige Aspekte des Gebrauchs der sozialen Kommunikationsmittel fuer die Weitergabe der Glaubenslehre vom 20. Maerz 1992

Als in der weiteren Folgezeit oeffentlicher Widerspruch gegen die Autoritaet auch in den Medien nicht ausblieb, schloss dieselbe Kongregation auf Probleme der Bischoefe bei der Ueberwachung der Medien. Sie entschloss sich daher, 1992 in einer weiteren Instruktion die teilkirchlichen Autoritaeten an ihre Kontrollpflicht und die dazu im Codex vorhandenen Mittel zu erinnern. Die Handreichung verpflichtet die Dioezesanbischoefe und die von ihnen abhaengige Verwaltung zu konsequenter Anwendung der Normen und verweist fuer den Bedarfsfall auf die Moeglichkeit universalkirchlicher Interventionen.

d)      Das Apostolische Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" Papst Johannes Pauls II. an die Bischoefe ueber die Maennern vorzubehaltende Priesterweihe vom 22. Mai 1994

1994 folgte das Apostolische Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" ueber die Unmoeglichkeit der Priesterweihe fuer Frauen. Ueber die Verbindlichkeit der Lehre ist zunaechst gestritten worden. Der Papst bezeichnet sie jetzt als definitiv, d. h. als endgueltig und unwiderruflich. Die Kongregation fuer die Glaubenslehre hat sie als eine unfehlbare Lehre im Sinne des erwaehnten zweiten Zusatzes zum Glaubensbekenntnis eingestuft. Gefordert ist die unbedingte und unwiderrufliche Zustimmung zu dieser definitiven Lehre. Dabei hat der Papst die Unfehlbarkeit des ordentlichen und universalen Lehramts des ueber die Welt verstreuten Bischofskollegiums geltend gemacht. Die Unfehlbarkeit der Lehre gruendet also auf der Uebereinstimmung des Bischofskollegiums in dieser Lehre. Indem er diese Uebereinstimmung feststellt und von seiten der Bischoefe kein Widerspruch erfolgte, wird die Unfehlbarkeit fuer die Glaeubigen erkennbar, und die rechtlich geforderte Antworthaltung kann greifen. Schon mangelnde Eindeutigkeit in bezug auf diese Lehre wird von Rom streng geahndet. Wo kein Abhaengigkeitsverhaeltnis zur kirchlichen Autoritaet besteht, konnte allerdings auch damit die weitere Diskussion und die Forderung nach der Priesterweihe fuer Frauen nicht unterbunden werden.

e)      Die Enzyklika "Evangelium Vitae" Papst Johannes Pauls II. ueber die vorsaetzliche Toetung menschlichen Lebens vom 25. Maerz 1995

In der Gesellschaft wird ueber die Berechtigung der Todesstrafe, die sittliche und rechtliche Zulaessigkeit der Abtreibung sowie ueber die Problematik der Euthanasie diskutiert. 1995 erschien die Enzyklika "Evangelium vitae". In ihr stellt der Papst seine Gemeinschaft mit den Bischoefen in der Lehre fest, die Toetung eines unschuldigen Menschen sei immer ein schweres sittliches Vergehen, auch Abtreibung und Euthanasie. Auch diese Lehren fallen unter den zweiten Zusatz zum Glaubensbekenntnis und verlangen unbedingte und unwiderrufliche Zustimmung zu konkreten sittlichen Normen. Erneut hat der Papst auf die Unfehlbarkeit des Bischofskollegiums im Lehramt rekurriert und durch Feststellung des Konsenses die darin gruendende Unfehlbarkeit der Lehre offenkundig gemacht. Er hat diese Form unfehlbaren Lehrens als die gewoehnliche und alltaegliche bezeichnet. Mit dieser Enzyklika hat der Papst erstmals fuer konkrete sittliche Handlungsnormen die Unfehlbarkeit in Anspruch genommen.

f)      Vademecum fuer Beichtvaeter in einigen Fragen der Ehemoral

Im Februar 1997 gab der Paepstliche Rat fuer die Familie einen Leitfaden fuer Beichtvaeter heraus. Er ist "auf ausdruecklichen Wunsch des Heiligen Vaters" erstellt worden. Darin wird gesagt: "Die Kirche hat stets gelehrt, dass die Empfaengnisverhuetung, das heisst jeder vorsaetzlich unfruchtbar gemachte Akt, eine in sich suendhafte Handlung ist. Diese Lehre ist als definitiv und unabaenderlich anzusehen." Das ist die Lehre von "Humanae vitae". Ein Sprecher des Vatikans erklaerte und schrieb nach der Veroeffentlichung jener Enzyklika: sie sei kein unfehlbares Dokument. Der Paepstliche Rat versieht die Lehre mit einem Zusatz ueber deren Endgueltigkeit und Unabaenderlichkeit. Dieser Zusatz ist bislang eine Behauptung. Hoffentlich melden sich genuegend Bischoefe, die diesen Zusatz bestreiten. Andernfalls kann der Papst wie geschehen nach der alten Rechtsregel handeln: "Wer schweigt scheint zuzustimmen" ("Qui tacet consentire videtur"). Das Schweigen der Bischoefe wuerde dann als Ausdruck bestaetigender stillschweigender Ueberzeugung verstanden.

g)      Die Instruktion "De synodis doecesanis agendi" der Kongregation fuer die Bischoefe und der Kongregation fuer die Evangelisierung der Voelker vom 19. Maerz 1997

Im Maerz 1997 wurde in Form einer Instruktion den Bischoefen eine Handreichung fuer die richtige Abhaltung von Dioezesansynoden und aehnlicher Veranstaltungen uebermittelt. Vor Beginn der Beratungen sprechen die Synodalen das Glaubensbekenntnis mit den Zusaetzen. Die Instruktion unterstreicht die Stellung des Dioezesanbischofs. Er hat die Pflicht, Synodale, deren Auffassungen von der Lehre der Kirche abweichen oder die sich gegen die bischoefliche Autoritaet stellen, zu entlassen, wobei ein Rechsmittel zugelassen ist. Die Bindungen der Dioezese und ihres Leiters an die Gesamtkirche und den Papst legt dem Dioezesanbischof die Pflicht auf, von der Diskussion auszuschliessen: Thesen oder Ansichten, auch wenn sie (nur) eingebracht werden, um als Voten an den Heiligen Stuhl geschickt zu werden, die von der Lehre der Kirche oder vom paepstlichen Lehramt abweichen bzw. die disziplinaere Fragen betreffen, die der hoechsten Autoritaet vorbehalten sind (so in IV,4 des Textes). In Deutschland hat man unter verschiedenen Bezeichnungen (Foren u. a.) parasynodale Versammlungen abgehalten, um nicht an die kodikarischen Regeln gebunden zu sein. Die Instruktion aeussert den Wunsch, der Dioezesanbischof moege fuer solche Zusammenkuenfte Bestimmungen erlassen, die denen der Instruktion aehneln (Vorwort, Abs. 4).

h)      Instruktion zu einigen Fragen ueber die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester vom 15. August 1997

Im August 1997 erschien die von mehreren Kongregationen verfasste Instruktion zu einigen Fragen ueber die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester. Gegen ihren Inhalt ist von vielen polemisiert worden, vermutlich weil darin einschraenkende Bestimmungen bezueglich der Laien zusammengefasst sind. Wer das Kirchenrecht kennt, dem sind jene seit Jahren geltenden Normen gelaeufig. Aergerlich ist aus meiner Sicht der Hinweis, dass der Einsatz von Laien "zu einem Rueckgang der Kandidaten fuer das Priestertum" fuehre (2), und die Regelung in Art. 4 § 2, "dass die Vollendung des 75. Lebensjahres eines Geistlichen keinen verpflichtenden Grund fuer die Annahme des Amtsverzichts durch den Dioezesanbischof darstellt."

i)      Apostolisches Schreiben Motu Proprio datae "Ad tuendam fidem", durch das gewisse Normen in den Codex Iuris Canonici und in den Codex der Ostkirchen eingefuegt werden, vom 18. Mai 1998

Durch das im Juni 1998 veroeffentlichte Motu Proprio "Ad tuendam fidem" hat der Papst den Codex geaendert. War der zweite Zusatz zum Glaubensbekenntnis an sich von dem genannten Kreis von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu bekennen, ist durch die Ergaenzung des Gesetzbuchs daraus eine Rechtspflicht fuer alle Glaeubigen geworden. C. 750 erhielt einen § 2. Der Verstoss dagegen ist mit einer gerechten Strafe zu belegen. Die Strafbestimmung des c. 1371 n. 2 CIC erhielt eine entsprechende Ergaenzung. Wer also fuer die Priesterweihe fuer Frauen eintritt, kann seit Inkrafttreten des Schreibens am 1. Oktober 1998 von seinem Dioezesanbischof zum Widerruf ermahnt, ggf. bestraft, aber auch direkt von Rom zur Verantwortung gezogen werden. Sie werden mich nicht als Scharfmacher einschaetzen. Ich bin gespannt, wie der Bischof von Dresden-Meissen mit dem Praesidenten des ZdK, Herrn Meyer, umgeht und der Erzbischof von Berlin mit Frau Laurien, jetzt, nachem das Schreiben in Kraft getreten ist.

j)      Apostolisches Schreiben Motu Proprio datae "Apostolos suos" ueber die theologische und rechtliche Natur der Bischofskonferenzen vom 21. Mai 1998

Im Juli 1998 stellte Kardinal Ratzinger ein Apostolisches Schreiben ueber die theologische und rechtliche Natur der Bischofskonferenzen vor. Es geht zurueck auf eine Anregung der Bischofssynode von 1985. Bereits 1988 gab es ein von mehreren Kongregationen erstelltes Arbeitspapier. Vereinfacht stuetzte es sich auf die These: Goettlichen Rechts sind nur das Amt des Papstes und des Dioezesanbischofs. Was dazwischen ist, etwa die Bischofskonferenz, ist kirchlichen Rechts und mithin abschaffbar. Bischofskonferenzen dienen vornehmlich dem persoenlichen Austausch der Bischofskollegen, meist ueber pastorale Fragen, und der fuer den einzelnen Dioezesanbischof nicht verbindlichen Abstimmung. Zu einer hierarchischen Zwischeninstanz duerfen sie nicht werden; sie duerfen die persoenliche Verantwortung des Dioezesanbischofs bei der Leitung seiner Dioezese nicht blockieren. Trotz Kritik an jenem Arbeitspapier ist seine Grundlinie in das Apostolische Schreiben eingegangen. Es stellt noch einmal klar, was bereits in c. 455 § 4 CIC gesagt ist: In den meisten Bereichen spricht ein Beschluss der Bischofskonferenz nur eine Empfehlung aus. Das Apostolische Schreiben enthaelt im uebrigen eine gesetzliche Ergaenzung in bezug auf die Lehrkompetenz der Bischofskonferenz nach c. 753 CIC. Die Bischofskonferenz ist nicht Traeger eigener Lehrkompetenz. Sie ist vor allem "Uebersetzer" universalkirchlicher Lehren. Verbindlichkeit kommt ihren Lehren nur zu, wenn sie einstimmig vertreten werden. Es handelt sich dann aber weniger um die Lehrkompetenz der Bischofskonferenz als solcher, sondern eher um die einhellig gebuendelte Lehre der Einzelbischoefe. Findet sich fuer eine Lehre nur eine Zweidrittelmehrheit, ist fuer ihre Verbindlichkeit eine roemische Bestaetigung erforderlich.

 

3.      Zusammenfassung

Hierarchie wird mit "heiliger Ursprung" und "heilige Herrschaft" uebersetzt. Was kirchenrechtlich erhoben wurde, zeigt nach der Kirchenverfassung und nach der Weise der Machtausuebung deutlich "heilige Herrschaft". Und wie steht es mit der "christlichen Freiheit"? Was den Glaeubigen in der real existierenden Kirche zugemutet wird, heisst, die "heilige Herrschaft" als die wahre Form christlicher Freiheit zu verstehen und zu akzeptieren. Freiheit gegen die Hierarchie, gegen das Lehramt kann es nach deren Selbstverstaendnis legitim nicht geben. "Das Gewissen", so wiederholt die Enzyklika "Veritatis Splendor", ist "keine autonome und ausschliessliche Instanz, um zu entscheiden, was gut und was boese ist; ihm ist vielmehr ein Prinzip des Gehorsams gegenueber der objektiven Norm tief eingepraegt, welche die Uebereinstimmung seiner Entscheidungen mit den Geboten und Verboten begruendet und bedingt, die dem menschlichen Verhalten zugrundeliegen" (Nr. 60). Und weiter: "Eine grosse Hilfe fuer die Gewissensbildung haben die Christen in der Kirche und ihrem Lehramt" (Nr. 64). Kurz gefasst, lautet die Formel: Christliche Freiheit erfuellt sich im Gehorsam. Sie sehen, wie berechtigt mein Wunsch war, ein Fragezeichen hinter das Thema ihrer Versammlung zu setzen.
 

II. 
Wie koennen Glaeubige mit dieser kirchlichen Wirklichkeit umgehen?

Der bisherige Befund kann erschlagen. Verstaendlich, wenn Sie fragen: Was kann man angesichts solcher Geschlossenheit des Systems noch tun? Was bleibt fuer Glaeubige, die nicht resignieren oder in die Fundamentalopposition fliehen, sondern in ihrer Kirche etwas bewegen wollen?

 

1.      Kirchentraeume und Kirchenrealitaet

Der grundlegende Schritt besteht darin, sich dieser Situation sehenden Auges auszusetzen, die rechtlich so verfasste Kirche als solche wahrzunehmen, in der Rechtsgestalt der Kirche das Kirchenverstaendnis des Gesetzgebers zu erkennen. Der klare Blick darauf befreit, befreit von Illusionen, von beschoenigenden, dem Wunschdenken entsprechenden Selbst- oder Fremdtaeuschungen ueber einen in Wirklichkeit weniger positiven Sachverhalt. Nichts gegen "Kirchentraeume", aber alles gegen ihre Verwechslung mit der Kirchenrealitaet. Nichts gegen "Kirchentraeume" als motivierende Vision, aber alles gegen deren Verwirklichung als Kirche nach eigenen Wuenschen, welche die real existierende Kirche unbehelligt laesst. Zuerst also: der Blick auf die Strukturen. Ohne diesen klaren Blick kein rechtes Augenmass, ohne Augenmass keine effektiven Handlungsstrategien.

2.      Wachsamkeit gegen Verharmlosung und Bagatellisierung

Dass der Befund als so hart empfunden werden kann, zeigt, dass er gegen Verstellungen gewonnen werden musste. Um ihn zu bewahren, ist er gegen erneute Verstellungen zu schuetzen. Darum sollten Glaeubige an zweiter Stelle wachsam sein gegen die verschiedenen in der Kirche heute anzutreffenden Formen der Verharmlosung und Bagatellisierung. Ob gewollt oder nicht: Sie beschwichtigen und behindern so Veraenderung. Im folgenden stelle ich Formen von Verharmlosung und Bagetellisierung vor.

 

a)      Personalisierung von Strukturmaengeln

Eine subtile, aber verbreitete Form der Verharmlosung besteht darin, strukturelle Probleme zu personalisieren. Sie werden damit auf Probleme von und mit Einzelpersonen "verkleinert". Besondere Zielscheiben im Vatikan sind Papst Johannes Paul II. und Kardinal Ratzinger, in Deutschland sind es Kardinal Meisner und Erzbischof Dyba, in Liechtenstein Erzbischof Haas, in Oesterreich Erzbischof Eder und die Bischoefe Krenn und Kueng. So berechtigt manche Kritik sein mag, es ist zu fragen, ob sie nicht zu kurz greift, ob hier nicht an Personen kritisiert wird, was Strukturen ermoeglichen. Gegen solche hierarchischen "Buhmaenner" koennen sich zudem andere als "Lichtgestalten" profilieren, denen nicht unbedingt an einer Aenderung von Strukturen gelegen sein muss. Die Glaeubigen duerfen die Strukturen nicht aus dem Blick verlieren. Sie sollten auf die hierarchisch bestimmte Lehre und die hierarchisch legitimierten Leitungsentscheidungen sehen.

b)      Verharmlosung von Rechtsfragen

Verharmlosung mit systemstabilisierender Wirkung geschieht dort, wo rechtliche Fragen als sekundaer eingestuft oder gar als "Nabelschau", "Insiderfixierungen" oder "narzistische Selbstbespiegelungen" verleumdet werden. Das Engagement der Katholikinnen und Katholiken habe den wirklich wichtigen Fragen zu gelten: den Zustaenden in der Dritten Welt oder der Gottesfrage, die gegen die "Verdunstung des Glaubens" zu thematisieren sei. Dabei geht es um besonders aergerliche Scheinalternativen, weil moralische Disqualifizierungen in sie eingewoben sind. Als ob fuer Strukturfragen sensible Katholikinnen und Katholiken das Elend der Dritten Welt vergaessen! Ich halte es fuer bedenklich, eben dieses Elend fuer kirchenpolitische Ablenkungsmanoever zu instrumentalisieren, als ob die Lebendigkeit der Gottesfrage unabhaengig sei von Kirchenerfahrungen. Und Kirchenerfahrungen sind auch mitbestimmt von der kirchlichen Ordnungsgestalt.

An dieser Stelle gestatten Sie mir ein Wort zum Kirchenrecht. Ich vermute einmal, viele von ihnen lieben es nicht. Das kann ich verstehen; zu lieben brauchen Sie es nicht, aber Sie sollten das Kirchenrecht kennen. Warum? Um auch die von Ihnen durchzustehenden Konflikte geordnet austragen zu koennen. Interessengeleitete Spiritualisierungen des Rechts – etwa durch den Begriff "communio" – fuehren dazu, die wenigen rechtlichen Schranken, die vor Willkuer von Hierarchen schuetzen, geistlich zu relativieren. Wir brauchen nicht weniger kirchliche Normen, sondern andere, welche den Namen Recht verdienen.

Kehren wir zurueck: Wer Strukturprobleme bagatellisiert, muss sich fragen lassen, ob er moeglicherweise Nutzniesser des Status quo ist.

c)      Harmonisierung in Verkuendigung und Theologie

Eine schwer zu durchschauende Harmonisierungsmethode in Verkuendigung und Theologie besteht darin, harte kirchliche Strukturen in weiche Bilder und Begriffe zu huellen. Glaeubige muessen auf der Hut sein, wenn der Status quo so beschrieben wird, dass seine Aenderung nicht notwendig erscheint. Wer "communio" im Munde fuehrt, meint nicht zwingend eine geschwisterliche Kirche im vielfach erhofften Sinn. Wer behauptet, die Kirche sei bereits "communio", der muss – vielleicht durch Rueckfragen - um Konkretisierung gebeten werden. Erst wenn er das Attribut "hierarchica" hinzufuegt, stimmt die Behauptung. Wer von Freiheit in der Kirche spricht, soll sie zeigen; oder er soll zugeben, dass auch er Gehorsam meint, weil christliche Freiheit nicht dasselbe ist wie saekulare Freiheit. Kirche, dargestellt im Bild "konzentrischer Kreise", ersetzt moeglicherweise pyramidale Ueber- und Unterordnung durch die Zuordnung von Zentral- und Randpositionen. Eine "plattgeredete" Pyramide verliert nicht automatisch innere Abhaengigkeitsstrukturen. Intention und/oder Effekt solcher Beschreibungen ist, den Glaeubigen die unangetasteten Strukturen so zu praesentieren, dass sie sich in ihnen wohler fuehlen. Wer sich wohl fuehlt, "muckt" nicht auf. Der klare Blick auf die Realitaet droht dann verloren zu gehen. Auch hier die Frage: Wer profitiert davon?

d)      Beruhigung durch vermeintliche Relativierung

Eine ebenfalls verbreitete Form der Beruhigung sind die Hinweise, nicht alles so ernst zu nehmen, was aus Rom kommt. Dies ist zum einen selbst ein deutlicher Ausdruck des Autoritaetsverlustes der Zentrale. Es ist aber zugleich eine gefaehrliche Haltung, die zu Lasten der Glaeubigen geht. Was 1988 ein Arbeitspapier roemischer Beamter zum Status der Bischofskonferenzen war, ist 1998 ein Gesetz. Lehrvorlagen, denen heute nicht entschieden widersprochen wird, koennen morgen zur verpflichtenden Tradition der Kirche gehoeren. Mit dem heute fehlenden Widerspruch gegen Behauptungen der Endgueltigkeit bestimmter Lehren kann morgen deren Unfehlbarkeit begruendet werden.

e)      Beruhigung durch Vertroestung

Nicht zu vergessen schliesslich der bekannte Hinweis, in der Kirche liefen die Uhren eben anders. Was heute nicht ist, sei nicht fuer alle Zukunft ausgeschlossen. Zumindest nach meinem Eindruck wird hier ein Zeitgefuehl gefordert, dem auch Katholikinnen und Katholiken unwiederbringlich entwachsen sind. Verdaechtig ist vor allem die voellige zeitliche Unbestimmtheit, auf die hin eine Ausdauer im nachsichtigen Abwarten und Ertragen empfohlen wird.
 

3.      Das Augenmerk der Glaeubigen sollte sich auf die Dioezesanbischoefe richten

Wie kann sich der klare Blick nach vorne richten, was kann man tun? Nach meiner Ansicht sollte sich die Aufmerksamkeit der Glaeubigen mehr den Dioezesanbischoefen widmen. Unmittelbare Forderungen nach Rom halte ich fuer Donquichoterien. In Rom mehr Freiheiten fuer die Bischoefe zu fordern, bleibt ein Vabanquespiel, solange nicht klar ist, ob die Bischoefe sich dann zu Dioezesanpaepsten machen oder ob sie mehr Partizipation gegenueber dem Papst anstreben, um der Anliegen willen, die durch Partizipation seitens der Glaeubigen artikuliert wurden.

a)      Zur Situation der Dioezesanbischoefe

Die Dioezesanbischoefe sind die unmittelbaren Repraesentanten des hierarchischen Systems. Es sind Maenner mit verschiedener Einsicht und Einsichtsfaehigkeit, mit divergierendem Weitblick. Sie haben eine unterschiedliche kirchenpolitische Einstellung und sind haeufig von Aengsten geplagt. Denkbar ist bei ihnen die Frage: Wie wirkt meine Aeusserung auf die Nachbarbischoefe, auf die Bischofskonferenz, auf den Vatikan? Es mag Bischoefe geben, die sich in einem bestimmten Punkt vorgewagt haben und die voruebergehend keinen neuen Konflikt riskieren. Bei anderen Bischoefen mag schlicht die Freiheit fehlen, mehr fuer die Beteiligung des Gottesvolkes zu tun. Die Bischoefe sind in ihren Aemtern, weil sie Rom nach den Auswahlkriterien und durch den Treueid einmal die Gewaehr der "Linientreue" boten. Die Diskrepanz zwischen der theologisch erklaerten Wuerde des Bischofsamtes und ihrer tatsaechlichen Rechtsstellung bemerken sie nicht oder fuegen sich in sie.

b)      Fragen zu dieser Rechtsstellung

Warum sollte den Bischoefen erspart werden, zu dieser Diskrepanz zu stehen oder sich von ihr abzusetzen, und zwar den Glaeubigen ins Angesicht? Warum soll ihnen erspart werden zu zeigen, ob sie die Glaeubigen nur fuer Hoererinnen und Hoerer und Untergebene oder fuer ernstzunehmende Gespraechspartnerinnen bzw -partner und Geschwister im Herrn halten? Dies beinhaltet keinerlei Aggression. Es geht vielmehr darum, das Bewusstsein fuer die Notwendigkeit und Moeglichkeit von mehr Partizipation zu staerken, und dies nicht subversiv und an den Bischoefen vorbei, sondern sie fordernd und einbeziehend, damit sie ihre Beruehrungsaengste abbauen koennen. Solche Aengste, aber auch Anzeichen fuer ihren teilweisen Abbau, waren zum Beispiel in so manchem "Dioezesanforum" erfahrbar.

c)      Fragen zur Partizipation der Glaeubigen

Das einfache Mittel, das sich anbietet, ist, die Dioezesanbischoefe immer wieder, geduldig, aber entschlossen um Auskunft ueber ihre Position zu den verschiedenen Anliegen der Glaeubigen zu bitten. Damit wird keine Loyalitaet verletzt. Es muss in angemessener Form geschehen. Nur so wird dem bekannten Trick vorgebeugt, sich durch die Kritik am Stil um die Sachdiskussion herumzudruecken. Es geht darum zu vermitteln, dass keine kirchenfeindliche Gruppe am Werk ist, sondern Glaeubige, die an der Weitergabe des Glaubens und am Weiterleben der Kirche interessiert sind. Warum sollte es einem Dioezesanbischof erspart werden zu begruenden, wieso er rechtlich moegliche Massnahmen fuer mehr Partizipation der Glaeubigen nicht ergreift, warum er von der Moeglichkeit der rechtlichen Selbstbindung keinen oder keinen groesseren Gebrauch macht? Der Priesterrat etwa kann dem Dioezesanbischof vorschlagen, in dem von ihm zu genehmigenden Statut fuer konkrete Sachfragen ein Zustimmungsrecht des Priesterrats vorzusehen. Fuer den Dioezesanpastoralrat ist eine Regelung denkbar, dass der Bischof seine Gruende gegen einen Vorschlag benennt und zur Diskussion stellt. Beschluesse des Pfarrgemeinderats, die gegen die Stimme des Pfarrers zustandekommen, koennen – wie im Bistum Limburg – zunaechst schwebend unwirksam bleiben, bis nach erfolgloser Vermittlung auf Antrag des Pfarrgemeinderates der Bischof entscheidet. Lehnt der Bischof solche moeglichen Regelungen ab, ist nach den Gruenden zu fragen. Meint er zu einer Begruendung nicht verpflichtet zu sein, ist dies eine wichtige Auskunft ueber sein Amtsverstaendnis.

d)      Oberrheinische Bischoefe zum Kommunionempfang wiederverheirateter Geschiedener

Warum unternahmen die Bischoefe der oberrheinischen Kirchenprovinz zunaechst einen "Vorstoss" in der Frage der Eucharistiezulassung und stellten sich mit ihrer bischoeflichen Verantwortung hinter eine in der Seelsorge bereits weithin geuebte Praxis? Doch wohl, weil sie sich angesichts der Not der Betroffenen in ihrem pastoralen Gewissen dazu verpflichtet fuehlten. Warum schieben sie nach roemischer Zurechtweisung die Verantwortung zurueck auf die Seelsorger vor Ort? Hat sich ihre Gewissensentscheidung oder ihre Einschaetzung der Not geaendert? Dann sollten die Gruende dafuer benannt werden. Oder meinen sie, ihre Gewissensentscheidung gegen Rom nicht durchtragen zu duerfen oder zu koennen? Sie duerfen danach gefragt werden.

e)      Vorbesprechung zum Schreiben "Ordinatio sacerdotalis"

Bevor das Apostolische Schreiben ueber die Unmoeglichkeit der Priesterweihe fuer Frauen veroeffentlicht wurde, ist ein Kreis ausgewaehlter Bischoefe, vermutlich auch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, in Rom mit einem Entwurf konfrontiert worden. Eine amerikanische Zeitung berichtete, auf Draengen amerikanischer Bischoefe habe man die Vokabel "unfehlbar" durch "definitive tenendam" ersetzt, was die Unfehlbarkeit aber einschliesst. Die beteiligten Bischoefe koennen nach diesen Vorgaengen gefragt werden. Nach welchen Kriterien wurden die herangezogenen Bischoefe ausgewaehlt? In welchem Rahmen und in welcher Form konnten sie Stellung nehmen? Wie war ihre Haltung zur Verbindlichkeit dieser Lehre? Haben sie diese zum Ausdruck gebracht? Wenn sie die Lehre nicht fuer irreversibel hielten, warum haben sie vor oder nach der Veroeffentlichung des Schreibens nicht widersprochen? Warum haben die beteiligten Bischoefe das in Rom Erfahrene nicht sogleich ihren Mitbruedern im Bischofs-, Priester- und Diakonenamt sowie dem Gottesvolk bekannt gemacht, sondern den Vorgang geheim gehalten? Verlangt die Wuerde der Glaeubigen nicht die Information ueber einen so bedeutsamen Schritt?

f)      Einstellung zum Diakonat der Frau

Dioezesanbischoefe koennen gefragt werden, wie sie zum Diakonat der Frau stehen, ob sie ihn grundsaetzlich ablehnen und warum, was sie genau darunter verstehen: ein frauenspezifisches Amt ausserhalb des den Maennern vorbehaltenen dreigestuften Ordo oder den Diakonat als erste Stufe dieses Ordo, die nach der Lehre von "Ordinatio sacerdotalis" fuer Frauen freilich die letzte ist? Dies alles waeren wichtige Informationen nicht nur fuer Frauen. Sollte ein Bischof sich fuer den weiblichen Diakonat aussprechen, kann weiter gefragt werden, was er unternimmt, dass diese seine Ueberzeugung in der Kirche verwirklicht wird?

g)      "Beschluesse" der Bischofskonferenz

Warum muessen Ueberlegungen und Entscheidungen der Bischofskonferenz so weitgehend vertraulich bleiben? Nur in wenigen Angelegenheiten kann sie verbindliche Entscheidungen treffen. In den anderen Faellen bleibt die Zustaendigkeit des jeweiligen Dioezesanbischofs ungeschmaelert erhalten; diese Beschluesse sind nur Empfehlungen; weder die Konferenz noch die Vorsitzenden koennen im Namen der Bischoefe handeln, wenn nicht alle ihre Zustimmung gegeben haben. Gewiss gibt es Dinge, die – etwa in Personalfragen – vertrauliche Behandlung verlangen. Warum aber kann nicht deutlich werden, welche Position ein Bischof in den uebrigen Faellen bezogen hat? Warum soll ein Bischof nicht nach seinem Votum gefragt werden?

h)      Dioezesanbischoefe und der "sensus fidelium"

Wenn die Bischoefe im Vatikan ueber ihre Dioezese – schriftlich und muendlich – berichten, ist ein wichtiger Punkt, was sie ueber den "sensus fidelium" in ihrer Dioezese aussagen, also ueber das, was tatsaechlich von ihren Dioezesaninnen und Dioezesanen geglaubt wird. Kardinal Ratzinger antwortete in dem 1996 erschienenen Buch "Salz der Erde" auf die Frage, ob der Vatikan darueber auch Repraesentanten des Gottesvolkes befrage, er gehe davon aus, dass die Bischoefe darueber perfekt informiert seien und das auch mitteilten (S. 96f). Bischoefe koennen gefragt werden, ob und wie sie sich ueber den "sensus fidelium" der ihnen anvertrauten Glaeubigen informieren sowie, ob und was sie darueber in Rom berichten.

i)      Zur Antwort auf Anfragen

Diese und andere Fragen koennen Glaeubige in den Beratungsgremien den Bischoefen persoenlich stellen. Andere Glaeubige sollten sie in Briefform an den Bischof richten. Fuer die Formulierung sollten sie sich beraten lassen, damit das Gemeinte genau getroffen wird. Warum gleich mit Statements reagieren? Antwortet ein Bischof nicht selbst, antwortet er ohne nachvollziehbare Begruendung, reagiert er rein diplomatisch, oder entzieht er sich gaenzlich einer Antwort, sollte unter Hinweis auf die Wuerde des Gottesvolkes nachgefragt werden. Bleibt auch dies ergebnislos, dann kann es legitim sein, dieses Faktum anderen Glaeubigen bekannt zu machen. Es kann sein, dass einem Bischof dadurch die "liberale Kappe" vom Gesicht gezogen wird. Auch in der oekumenischen Zusammenarbeit sollte um der Redlichkeit willen auf das Verhalten der Bischoefe aufmerksam gemacht werden.

j)      Dioezesanbischoefe – Generalvikare des Papstes?

Was Rom verordnet und lehrt, bindet auch die Dioezesanbischoefe. Insoweit sind sie Befehlsempfaenger. Sie fungieren oft wie Generalvikare des Papstes (der Generalvikar muss sein Amt im Einklang mit dem Dioezesanbischof, darf es niemals gegen dessen Meinung und Willen ausueben). Sie lassen sich von manchen Beamten der roemischen Kurie gaengeln. Als Dioezesanbischoefe und Nachfolger der Apostel haben sie die Moeglichkeit, im Rahmen des Rechts auch gegenueber dem Papst und dem Vatikan ihre Ansicht mit Nachdruck zu vertreten und zu begruenden. Sie koennen warnen, wo dies angezeigt ist. Ein Bischof, dem der Kurs des Papstes und seiner Kurie fuer die Kirche als schaedlich erscheint oder der einer nicht unfehlbaren roemischen Lehrentscheidung nicht folgen kann, hat die Moeglichkeit, aus Gewissensgruenden um Entpflichtung von seinem Amt zu bitten, oder besser noch: Er fuehrt die Leitung seiner Dioezese fort und teilt dem Papst die ihn dabei bestimmenden Gruende mit. Es bleibt dann dem Papst ueberlassen, ob er den Dioezesanbischof ggf. aus seinem Amt entfernt. Dies ist dem Papst aufgrund seines Jurisdiktionsprimats jederzeit moeglich.

 

Schluss

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wollten unter der Fragestellung "Christliche Freiheit statt heiliger Herrschaft?" kirchenrechtliche Anmerkungen zur Gegenwartslage der Kirche hoeren. In ihrer Rechtsgestalt, und d.h. in der fuer Ihre Kirchenerfahrung entscheidenden Realgestalt, praesentiert sich die Kirche als ein Ort sakral begruendeter Herrschaft, in der christliche Freiheit zu Gehorsam wird. Ich habe nicht versucht, sattsam bekannte Forderungen zu wiederholen, die aus rechtlicher Sicht an ein solches System zu stellen sind und fuer die seit langem konkrete kanonistische Vorschlaege vorliegen. Ich denke etwa an verbuergte Rechte und ihren effektiven Schutz, an die Bindung auch der Entscheidungstraeger an das Recht, an Partizipation bei Personal- und Sachentscheidungen durch alle Glaeubigen und anderes mehr. Ich habe versucht, trotz des ernuechternden Befundes auf andere Moeglichkeiten hinzuweisen. Sie gruenden in der Hoffnung, dass die immer wieder neue unmittelbare Konfrontation mit den Anliegen der Glaeubigen den Apostel im Bischof wach werden laesst, und in dem Wunsch, dass Generalvikare des Papstes sich als solche erkennen und es hinnehmen muessen, von den Glaeubigen auch so angesehen zu werden.
 

Prof. Dr. Dr. Werner BÖCKENFORDE
Oberau 59
79102 F R E I B U R G

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Fax: (0)761-28.59.311

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Posted 5 October 1999
Last revised 5 October 1999
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